Die Pest in Berlin 1576
Seitenanzahl: 160
Preis:
14,90 €
Das erste gedruckte Berliner Plakat war wohl ein „Pest-Regiment“ – ein öffentlicher Anschlag wider den „Schwarzen Tod“ im Jahr 1576 – und stammt von Leonhart Thurneisser zum Thurn, dem Leibmedicus des Kurfürsten Johann Georg von Brandenburg. Es handelt sich um ein einzigartiges Zeugnis der frühneuzeitlichen Literatur und Pharmazie, das in der Literatur- und Wissenschaftsgeschichte unbeachtet blieb und hier erstmals vorgestellt und kommentiert wird. Das Buch enthält ein Faksimile dieses seltenen Einblattdrucks.
Der Kölner Thurneisser-Forscher Dr. Diethelm Eikermann und die Berliner Bibliothekswissenschaftlerin Dr. Gabriele Kaiser berichten vom Leben der Berliner im 16. Jahrhundert und vom Kampf des einst berühmten und heute weithin vergessenen Arztes Thurneisser gegen die Pest. Sie beleuchten die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte seiner Pestschrift und erläutern die darin aufgeführten Arzneien und Anweisungen.
Manchmal sind es die unscheinbaren Dinge, die sich, haben sie einmal die Aufmerksamkeit des Historikers gefunden, als wahre Schätze entpuppen. So auch der in der Universitätsbibliothek Basel aufgefundene, bislang unbekannte Einblattdruck des im 16. Jahrhundert wirkenden Gelehrten Leonhart Thurneisser zum Thurn (1531–1596), der in der Schrift Maßregeln zum Umgang mit der Pest entwickelt.
Eikermann und Kaiser haben diese „Regiment“ genannte Schrift sorgfältig ediert und nahmen das Projekt darüber hinaus zum Anlass für vielschichtige Studien zum „Schwarzen Tod“ im Berlin des 16. Jahrhunderts und zum noch weiten Teils geheimnisumwitterten Autor. Als Ergebnis liegt eine vorbildliche, umfassende Studie vor, die das Thema aus verschiedensten Blickwinkeln beleuchtet. So erfährt man viel über die Krankheit und ihr verheerendes, periodisches Auftreten, Versuche der Seuchenhygiene und schließlich zeitgenössische Therapieansätze. Hierbei werden verschiedentlich weitere Archivalien hinzugezogen, beispielsweise Briefe eines Dieners an Thurneisser. Regelmäßige Exkurse zum Umfeld, zu Arzneipflanzen oder zu Leben und Werk Thurneissers erhellen den Sachzusammenhang der Studie weiter.
Den Pharmazeuten werden vor allem die genannten Arzneimittel interessieren, die ausführlich besprochen und in einem gesonderten Glossar vorgestellt werden. Sie sind eindrucksvolles Zeugnis des auf Paracelsus zurückgehenden chemiatrischen Arzneischatzes, den man als zu Zeiten Thurneissers nahezu revolutionär einordnen muss. Immerhin nennt der wohl als Plakat gedachte Einblattdruck 87 Pestmittel, wovon 60 Prozent pflanzlichen Ursprungs waren. Als besondere Leistung der Autoren hervorzuheben sind auch die separat zusammengestellten biographischen Angaben zu den genannten Personen sowie für Experten die sorgsam zusammengetragenen Belege, Verweise und Literaturangaben. So wurde der unscheinbare und jahrhundertelang in der Bibliothek vergessene Fund zum Ausgangspunkt einer umfassenden und vorbildlichen Studie, die durch ein Vorwort des bedeutenden Frühneuzeit-Forschers Wolf-Dieter Müller-Jahncke weiter geadelt wird. Aber auch für den interessierten Apotheker gibt es viele gute Gründe, das auch bibliophilen Ansprüchen genügende, leicht lesbare und vergleichsweise erschwingliche Buch zur Hand zu nehmen. (Axel Helmstädter in Pharmazie Unserer Zeit | 5/2012, 41)
[…] Es ist nicht allzu lange her, dass vage Autodidakten, nimmt man es nicht zu ernst, ins Schwarze treffen konnten. So einer war der Schweizer Goldschmied und Metallurg, daraus hiatrochymisch-paracelsianischer Apothekenarzt und Berliner alchymistischer Hofmediziner, daraus wohlmeinend-wirkungsloser Kräuterdoktor im Grauen Kloster und Sanitärrat, dann Printmedien-Unternehmer und Pleitier, daraus Konvertit Leonhart Thurneysser (zum Thurn), der nach 65 Jahren des Vagabundierens über Höhen und Tiefen letztlich 1596 in eher zufälliger Nachbarschaft unseres Großen Albertus von Lauingen in Köln zur Ruhe kam.
[…] Im vorliegenden, liebevoll erarbeiteten und wunderschön ausgestatteten Buch wird er als churfürstlich autorisierter Propangandist der Hygiene gegen die immer wieder grassierende Pest umfassend aus Vorliegendem sowie Dazu-Gesammelten menschlich entschlüsselt dargestellt – und imponiert trotzdem. (Lothar Jaenicke in Biospektrum 7.2012)